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Wie Nachhaltigkeit in Transport und Logistik funktionieren kann

„Es gehört zum Job, Lösungen für Probleme, die unlösbar scheinen, zu finden“ Marcel Sturm
© Quehenberger Air + Ocean GmbH

Sie optimieren das Handling von Containern, steigern die Effizienz auf Terminals und vereinfachen komplexe Zollanfragen: Junge Logistiker:innen sorgen mit ihren Ideen für frischen Wind in der Branche. Wir haben mit ihnen über ihre Anfänge in der Logistik und ihre preisgekrönten Konzepte gesprochen.

Text: Redaktion Fahrplan

Marcel Sturm,
Quehenberger Air + Ocean

Meine Karriere in der Logistik begann untypisch. Ich hatte meine Lehre als Lkw-Mechaniker bei Quehenberger begonnen, wohnte aber in einer ganz anderen Stadt. Das Pendeln war sehr mühsam und ich fragte meine Lehrlingsbetreuerin, ob es auch andere Lehren im Haus gäbe, in der Hoffnung, dass es in Wals-Siezenheim, wo ich damals lebte, etwas geben könnte. Und tatsächlich: Dort konnte ich die Lehre als Speditionskaufmannmachen. Ich hatte keine Ahnung, was man in diesem Beruf genau macht. Nach den ersten paar Wochen, war klar – hier möchte ich bleiben! Ich bin nach meinen Lehrabschluss zu Quehenberger Air + Ocean gewechselt, wo es, wie der Name schon sagt, um See- & Luftfracht geht.

Für mich ist die Logistik einfach einzigartig. Jede Sendung hat ihre Eigenheiten, die berücksichtigt werden müssen. Besonders in der Seefracht gibt es Herausforderungen, mit denen man rechnen und mit denen man umgehen muss. Es gehört zum Job, Lösungen für Probleme, die klein, aber auch teilweise unlösbar scheinen, zu finden. Das ist etwas, das mir Spaß macht. Und so habe ich dann auch die Idee entwickelt, mit der ich beim Jungspediteur:innen-Wettbewerb 2021 den ersten Platz gewonnen habe. Es geht darin um intelligentes Handling von Importcontainern. Mit einer einfachen digitalen Plattform kann man die Effizienz am Terminal steigern und damit der Unternehmens-Bilanz und auch der Umwelt etwas Gutes tun, weil unnötige Leerfahrtendadurch vermieden werden. Meiner Meinung nach kann die Logistik noch sehr viel Potenzial aus der Digitalisierung schöpfen – allerdings braucht es eine große Portion an Versuchsbereitschaft, wenn man wirkliche Innovationen haben will.

Weil die Branche nun mal so abwechslungsreich und innovationsgetrieben ist, kann ich eine Karriere in der Speditions- oder Logistikbranche nur empfehlen. Man sollte wissen, dass Fremdsprachen sehr von Vorteil sind. Wegen der Kommunikation mit Partner:innen, Frächter:innen und auch Kund:innen aus dem nicht deutschsprachigen Raum sind Englischkenntnisse eine Voraussetzung – jede weitere Sprache ist willkommen. Es ist auch wichtig, dass man stressresistent ist, denn der Job fordert einen immer heraus.

INTELLIGENTES IMPORTCONTAINERHANDLING

Importcontainer werden in der Regel entladen, leer an den Terminal zurückgebracht und dann wieder neu vergeben. Werden aber Zustellung des Importcontainers und Beladen des Exportcontainersdigital kombiniert, entfallen Leerfahrten zum und vom Terminal. Nach der Entladung des Importcontainers kann der Containertruckerohne Terminal-Zwischenstopp direkt zur nächsten Ladestelle weiterfahren. All das spart Zeit und Geld. Das Matching der Import- und Exportcontainer kann über eine elektronische Plattform auch firmenübergreifend erfolgen.

„Ich kann auf jeden Fall empfehlen, in die Logistikbranche einzusteigen.“ Lisa Hrovat
© Gebrüder Weiss
„Es gibt eigentlich nichts, das nicht mit Logistik zu tun hat.“ Mevlide Vishi
© Gebrüder Weiss

Mevlide Vishi und Lisa Hrovat,
Gebrüder Weiss

Lisa Hrovat: Als ich 2018 das neunte Schuljahr abgeschlossen hatte, entschied ich mich, eine Lehre zu machen. Ich sah mir verschiedene Lehrberufe an, aber die Lehre als Speditionskauffrau gefiel mir am besten, da es ein Beruf ist, in dem man nie auslernt und sich immer weiterbilden kann. Es fasziniert mich auch heute noch, was mit einem Paket zwischen der Be- und Zustellung alles passiert und wie viele Schritte nötig sind, bis es bei Empfänger:innen ankommt.

Mevlide Vishi: Definitiv! Genau diese Frage, wie Sendungen z. B. von China nach Österreich kommen und wie die Abläufe dahinter aussehen, haben mich in diese Branche gelockt. Für mich ist der Beruf sehr vielfältig und spannend. Es gibt eigentlich nichts, das nicht mit Logistik zu tun hat. Ein Kugelschreiber, den ich im Handel kaufe, muss vom Produktionsort zum Shop transportiert oder sogar importiert werden. Die Komponenten für den Kugelschreiber kommen auch von irgendwoher. Die meisten wissen gar nicht, wie viel Logistik in den kleinsten Dingen steckt. Und das macht den Beruf so interessant für mich.

Lisa Hrovat: Es gibt aber auch manchmal Momente, die ein wenig frustrierend sind. Da ich erst 20 Jahre jung bin, fühle ich mich von Kund:innen nicht immer sofort komplett ernstgenommen. Ich schaffe es aber, sie mit meinem Wissen zu überzeugen. Apropos Wissen: Meine Kollegin Mevlide Vishi und ich arbeiten im Zollbereich und erhalten täglich sehr viele Kund:innenanfragen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die meisten Menschen vor dem Thema Zoll schnell zurückschrecken. Wir wollten darum dieses Thema greifbarer und zugänglicher machen und hatten die Idee für „iZoll".

Mevlide Vishi: Wir bekommen täglich Anfragen von Kund:innen, die zum Beispiel wissen wollen, wie hoch der Zollsatz für eine Kaffeemaschine, die man in China bestellen kann, ist. Wir wollten daher eine App entwickeln, über die sich Nutzer: innen spezifische Daten zu ihrem Zollanliegen holen, Begriffe erklären oder gar Fragen beantworten lassen können. Das spart Zeit und macht die Prozesse einfacher. Mit unserer Idee konnten wir die Jury beim Jungspediteur:innen-Wettbewerb überzeugen und gewannen den zweiten Platz. Es ist so, dass diese Effizienzsteigerung dank Digitalisierung weitergehen und die Logistikbranche verändern wird – zum Guten. Es werden schon viele Schritte gesetzt, um Prozesse zu digitalisieren. Vielleicht haben die künftigen Lehrlinge auch schon Ideen in diese Richtung.

Lisa Hrovat: Ich kann auf jeden Fall empfehlen, in die Logistikbranche einzusteigen. Das ist ein Job mit Zukunft, bei dem es immer wieder spannende Herausforderungen gibt und ständig Neues dazukommt. Hier kann man sich in den verschiedensten Bereichen sehr gut aus- und weiterbilden und viel lernen. Und auch etwas bewirken, wie wir mit unserer App zeigen. Man muss aber Teamfähigkeit, Belastbarkeit, Aufgeschlossenheit sowie Lernbereitschaft mitbringen.

„Als junger Mensch kann man in dieser Branche etwas bewirken.“ Manuel Pertl
© Foto Fischer

IZOLL

Die App „iZoll" verspricht ein effizienteres Handling der täglich bei Speditionen einlangenden zolltechnischen Fragen. Laut vorgeschlagenem Konzept bringt die Digitalisierung des Anfragemanagements Spediteur:innen, Zolldienstleister:innen und Kund:innen zahlreiche Vorteile, darunter die Reduktion von Mailverkehr und Telefonaten, die Option von Abgabenvorberechnungen, schnellere Auftragsverarbeitung und 24/7-Verfügbarkeit. Kund:innen könnten außerdem eine Zusammenfassung der Anfragen und Antworten im Pdf-Format mit dem Auftrag an Spedition und Zolldienstleister mitsenden.

Manuel Pertl,

Kühne + Nagel

Als ich noch in der Maturaklasse war, kam ein Kärntner Transportunternehmer zu uns und hielt einen tollen Vortrag über die Branche. Ich machte mir da zum ersten Mal Gedanken über die Logistik, handelte aber nicht, sondern ging nach der Matura studieren. Nachdem hier aber nichts auch nur annähernd an mein Interesse für die Logistik herankam, habe ich mich doch überwunden und die Lehre zum Speditionskaufmann absolviert. Alleine der Gedanke, dass sich durch unsere Arbeit die Welt wieder ein Stück weiterdreht, macht den Beruf unheimlich spannend. Wir reisen gedanklich jeden Tag um den Globus, und darum ist es wichtig, dass die Arbeit reibungslos funktioniert. Auch darüber macht man sich Gedanken.

Mein Projekt über „Prozessoptimierung an österreichischen Containerterminals", das den dritten Platz beim Jungspediteur:innen-Wettbewerb 2022 gewonnen hat, war ein persönliches Anliegen. Die Idee kam mir beim Abendessen in einem Restaurant. Dort bestellt man sein Essen an einem Tresen und bekommt einen kleinen Pager ausgehändigt, der dann vibriert, wenn man sein Gericht abholen kann. Als mein Tischnachbar, der sein Essen nach mir bestellt hatte, vor mir sein Essen bekommen hat, dachte ich mir, dass dies ja eigentlich ein gutes Konzept ist: Wieso soll er auf seine Speise länger warten, wenn die Zubereitungszeit kürzer war? Das wollte ich auch auf die Logistik übertragen.

Mein Projekt sieht eine Plattform vor, auf der man die geplanten Leer- oder Voll-Container voranmelden kann und anschließend einen „Pager" bekommt. Terminals können so im Voraus besser das Personal einplanen, und die Effizienz der Containerbrücke sowie Abfertigung der Lkw und der Bahn wird gesteigert. Vorangemeldete Fahrzeuge können einfach durch Vorzeigen eines QR-Codes (inkl. Aushändigung des Pagers) am Lesegerät ins Terminal einfahren und so den Weg zum Schalter sparen. Innerhalb des Terminals befindet sich dann der Parkbereich, wo die Fahrzeuge auf den Abruf per Pager warten. Es sollte dadurch eine Win-win-Situation für alle Beteiligten entstehen. Mir war es wichtig, eine neue Sichtweise auf die Problemstellung zu ermöglichen und für einen Denkanstoß zu sorgen. Denn mit der Digitalisierung geht vieles. Durch sie kommt ja auch mehr Informationsaustausch und Transparenz in die Branche. Dies, im Gleichschritt mit den gesetzten Klimazielen, wird eine wichtige Rolle in der Branchenzukunft spielen.

Und hier können junge Menschen aktiv werden. Denn die Branche befindet sich gerade auch in einer Phase der Wandlung, und als junger Mensch kann man etwas bewegen und mitgestalten. Man muss Interesse mitbringen. Die Logistik besteht nicht nur aus Fahrer:innen und Lagermitarbeiter:innen, sie ist sehr vielfältig, und mit Eigeninitiative kann jeder seinen Berufswunsch verwirklichen.

PROZESSOPTIMIERUNG AN ÖSTERREICHISCHEN CONTAINERTERMINALS

Mit aktuell 80.450 Stellplätzen für Seefrachtcontainer erschweren nicht absehbare Störungen in der globalen Seefracht die Planbarkeit zunehmend. Es herrscht ein ständiger Wechsel zwischen zu vielen und zu wenigen Leercontainern, die durchschnittliche Lagerzeit steigt täglich. Eine Kombination aus Online-Plattform und kompletter Terminal-Digitalisierung könnte Abhilfe schaffen. Reedereien, Speditionen und Frächter:innen würden geplante Anlieferungen und Abholungen der Leer- und Vollcontainer vorab angeben. Planbarkeit und Lagerlogistik würden sich verbessern und mehr einfachere und standardisierte Abfertigungen könnten erfolgen. Auch könnte die Verteilung von Transmittern an die Fahrer:innen die Abwicklung effektiver machen und die Wartezeit pro Lkw verkürzen. 

©ZV
© Aliaa Abou Khaddour
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